Monika Helfer, 'Nekyia' (Lyrikfestival W:ORTE, Hohenems 2022)

In Hohenems in diesem entstehenden neuen Zuhause für Literatur die hier in Hohenems geborene Monika Helfer einleiten zu dürfen ist mir eine ganz besondere Freude.

Für ihr 2016 mit Offsetlithografien ihres Sohnes Lorenz Helfer in der Edition Thurnhof erschienenes Langgedicht Nekyia um eine Biografie gebeten, antwortete Monika Helfer:

'… [Punkt Punkt Punkt, Leerzeichen] schreibe seit der Schulzeit'.

Welche Erfolge hinter den bescheidenen drei Punkten und dem einen, luftigen Leerzeichen stehen wissen Sie, liebes Publikum, selbst, das brauchen Sie sich nicht von einem aus Berlin Angereisten aufzählen zu lassen. Die kurze biografische Angabe beendete Monika Helfer so:

'… [Punkt Punkt Punkt, Leerzeichen] und werde schreiben, bis ich umfalle'

So schreiben die leidenschaftlich Schreibenden. Und manchmal, wenn sie umfallen, fallen sie ins Schreiben.

'Viele Stufen / In die Tiefe' führt sie uns in Nekyia. Das Wort, altgrichisch, bedeutet Totenopfer, ist in der Mythologie der Abstieg in die Totenwelt. Die schwierigste aller Reisen: die in die Unterwelt, im Versuch, die Macht des Todes zu brechen. Der Name geht auf den 11. Gesang der Odyssee zurück; Odysseus stieg in den Hades hinab; auch Orpheus. Und ihnen gelang es, zurückzukehren; nicht vielen ist das gelungen. 

Nachts macht Monika Helfer sich auf den Weg – 'An der Kalkhöhle / Stand eine Figur / Da erschrak ich doch / Ich bin du, sagte sie'. Hier, liebe Zuhörer*innen, zeigt sich: Monika Helfer ist eine Kämpferin, strotzt vor Mut, vor Entschlossenheit, wenn auch vor dem Hintergrund der Verzweiflung – Dante nämlich schrieb sich für seinen Abstieg in die Hölle Hilfe hinzu, wählte Vergil als seinen erfahrenen, wegkundigen Beistand. Monika Helfer geht diesen riskantesten Weg ganz allein. 'Weiß eben nicht alles, sagte ich zu mir'. Ich und ich müssen, in der Summe, ihr als Wir genügen. 'Ignorier mich nicht ständig'.

Diejenige, die Monika Helfer sucht, deren Erinnerung sie wachzuhalten sucht, ist ihre im Alter von 20 Jahren auf dem Berg tödlich verunglückte Tochter. 'Wie es war, eine Frau zu sein'. 'Sie war nicht mehr da / War einfach nur durch das Haus gegangen und dann / Weitergezogen'. 'Immerfort will ich von ihr reden / Damit sie mir nicht verloren geht'.

'Flüchtiger Seelenstaub'.

Ein imponierendes Gedicht. Eine Reise, die ich nicht vergessen werde.

'Welche Sprache spricht man hier?' wird im Gedicht gefragt. – Sehr geehrte Damen und Herren, man spricht, man hört: Monika Helfer.

© Mikael Vogel.

Alle Zitate aus: Monika Helfer, Nekyia, Edition Thurnhof, 2016.

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Mikael Vogel